Der Besenhändler

Schade, dass ich die russische Sprache nicht spreche. Ich denke, dann würde ich pausenlos Anekdoten und Geschichten schreiben. So kann ich eigentlich nur das wiedergeben, was mir Anna, meine Übersetzerin, erzählt oder simultan übersetzt.

Hier ist ein Markt noch ein Markt. Eine riesige Halle beherbergt dutzende von Ständen an denen Lebensmittel aller Art angeboten werden. Obst, Gemüse und Fleisch. Ein Stockwerk höher gibt es Kleidung, Spielzeuge oder elektrische Geräte. Stand an Stand. Der eine bietet Schuhe an, daneben gibt es Hosen und Jacken. Einen Stand weiter finden sich Gürtel, Ledertaschen und so weiter.

Die unmittelbaren Stände machen sich wenig Konkurrenz. Der nächste Verkaufsstand für Schuhe ist praktisch im anderen Eck der riesigen Markthalle. Die Händler stammen aus allen Teilen der ehemaligen sowjetischen Welt. Dazu mischen sich Türken und Asiaten. An einem Verkaufsstand für Haushaltswaren spielte sich folgende Szene ab:

Eine Babuschka, klein, hager und etwas gebeugt wollte sich einen neuen Besen kaufen. Ein Bündel von Reisigbesen stand zu Auswahl, alle irgendwie aus Reisigzweigen zusammengesetzt und kunstvoll verzurrt. Nun war der Babuschka der eine Besen zu lang, der nächste zu kurz oder nicht ordentlich gebunden. Nach fast 10 Minuten Lyrik um einen neuen Besen entschied sich Babuschka endlich für ein Modell.

Ein Besen, den sie übrigens 8 Minuten zuvor als zu klein erachtet hat. Nun gut – schließlich war die Entscheidung gefallen und die Babuschka holte ein paar Griwna-Scheine aus Ihren Taschen hervor. Der Verkäufer – in diesem Fall ein echter Ukrainer – nahm mit erstaunlicher Geduld das Geld in Empfang. Ohne mit der Wimper zu zucken, frage er Babuschka trocken:

„Soll ich ihnen den Besen einpacken oder fliegen sie gleich damit davon?“

Ich kann euch nur sagen, Babuschka ist nicht davongeflogen. Aber das Gelächter bei den wartenden Leuten war riesengroß. Schimpfend und drohend mit ihrem neuen Besen fuchtelnd, stapfte Babuschka von dannen.

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