Der graue Markt

Vermutlich wird jeder meiner Leser wissen, was ein Schwarzmarkt ist.

Auf dem Schwarzmarkt lassen sich illegale Waren und Leistungen mit, vielleicht ebenfalls illegal erworbenen, finanziellen Mitteln beschaffen. Die reale Welt ist ausreichend bestückt, mit Betrügern, Dealern, Schiebern, kleinen und verdammt großen Kriminellen aller Art. Für uns gemeine Bürger ist kaum mehr als die Spitze des Eisbergs sichtbar. Der Schwarzmarkt hat sich mit Internet und Darknet an die neue Welt angepasst. Das digitale Netz bietet unendliche neue Möglichkeiten.

Aber was ist der graue Markt?

Der graue Markt ist eine Form des Direktvertriebs von Produkten und Dienstleistungen unter Umgehung des institutionellen Handels. Im Finanzsektor unter Ausschluss von Banken und Kontrollbehörden wie zum Beispiel der BaFin.

Nun, das ist eine Finanzwelt, die zwischen Legalität und Illegalität diffundiert. Da sind zum einen die legal handelnden Anleger (die weißen Schafe), so wie der Autor und seine Leser. Zum anderen sammeln Unternehmer und Glückritter (die schwarzen Schafe) Geld auf dem Kapitalmarkt ein – für scheinbar profitbringende Projekte. Selbstverständlich ist die Idee für ein Projekt und das Marketing drumherum weitgehend legal. Der Anstrich muss glänzen, damit Anleger ihr Kapital für Investitionen freigeben.

Bitte nicht falsch verstehen, ganz sicher gibt es viele gute Projekte, die am Ende dennoch scheiten, weil eine Idee oder ein Startup eben – unbestreitbar – unternehmerische Risiken bergen. Der graue Markt ist etwas anderes. Das vermeintliche Investment zielt einzig und allein auf das Geld der Anleger ab, ohne eine reale Chance auf Erfolg.

Ein simples Beispiel aus der Fantasie des Autors?

Die Republik Kasachstan, ein Land der Rohstoffe, ein Land des Erdöls. Kasachstan war früher Teil der Sowjetunion und ist heute eines der größten Länder (über siebenmal so große wie Deutschland) der Erde, dennoch ist den meisten Menschen das Land eher unbekannt. Die Hauptstad des Landes Nur-Sultan (früher Astana) ist eine prachtvolle Stadt mit 1,1 Millionen Einwohnern und spiegelt den Rohstoff-Reichtum des Landes. Die Regierung der Republik Kasachstan ist ausgesprochen autoritär unterwegs, das spielt in die Karten.

Nun eine Fantasie

Der Autor eröffnet eine Firma mit guter Adresse und Briefkasten in Astana oder Almaty (die größte Stadt des Landes mit 1,9 Mio. Einwohnern). Die neue Spirit Oil Company kauft Grund und Boden in der kasachischen Steppe, davon gibt es mehr als genug. Der Grund erstreckt sich über 100 Fußballfelder und erfordern 70.000 US-Dollar an Investitionen. Menschen leben hier keine, ab und zu zeigen sich die vom Aussterben bedrohten Saiga-Antilopen. Zuvor hat die Company einen CEO namens Vadim Suleymenov eingestellt, einen seriös wirkenden und weltgewandten Manger. Ihm zur Seite steht die bildhübsche Assistentin Anastasia Karimov, Studentin an der Universität Astana, spricht fließend Englisch und etwas Deutsch.

CEO Vadim Sulemenov beauftrag den pensionierten Geologen Igor Schoikoff das neu erworbene Land der Company ausgiebig zu begutachten. Schoikoff hat in Moskau studiert und lange Zeit für die Sowjetunion nach Rohstoffen gesucht. Denkt er an alte Zeiten, wird ihm ganz wehmütig ums Herz. Der gebildete Mann freut sich über eine Aufgabe und ein paar Dollar, welche ihm die schmale Rente aufbessern. Die Spirit Oil Company freut sich über seine fundierte Expertise und erfährt sehr viel über erdölführende Schichten, tief im Boden. Dort wo es sie geben kann und dort wo es sie nicht geben kann. Assistentin Anastasie notiert alles mit, Igor fühlt sich geschmeichelt.

Der Autor, fiktiver Kapitalgeber und Hauptgesellschafter der Company, fasst zusammen: Es gibt Grund und Boden mit einer verschnörkelten Grundbesitzurkunde, vielen offizielle beglaubigten Papieren und zahlreiche amtliche Stempeln und Unterschriften. Dazu ein fundiertes Gutachten über erdölführende Schichten. Autor und Studentin haben vor Ort fleißig recherchiert, wie funktioniert die Ölwirtschaft in Kasachstan und welche Story steckt hinter dem Erfolg der Rohstoffwirtschaft.

Quellen sind Kontakte zur Hochschule, zu pensionierten Journalisten, zu Offiziellen in der Verwaltung bis hin zu ehemaligen Bediensteten des Ministeriums für Öl und Gas der Republik Kasachstan. Zugegeben, das Budget für kleine Geschenke war nicht von schlechten Eltern. Jedoch, die Investition hat sich gelohnt: Dokumente und geballtes Wissen fließen nun in ein Verkaufsprospekt und in eine umfangreiche international aufgehängte Webseite ein. Für aussagekräftige Fotos sorgt der Autor selbst, ein örtliches Fotostudio und Stockfotos für 3 US-Dollar das Stück.

Die Webseite wird gelauncht. Für das Online-Marketing ist ein professionelles Team in Kiew zuständig. Die Truppe ist dem Autor seit den 90er Jahren bekannt, aus dieser Zeit gibt es eine kameradschaftliche Verbundenheit. Das Marketing-Budget für Werbung via Google und Facebook tut schon weh. Allerdings, und das ist der Punkt, unser Verkaufsprospekt, der Investitions- und Businessplan wird international abgerufen. Das Team in Kiew beantwortet Fragen von möglichen Anlegern per Chat, per Mail, per Skype und via Hotline am Telefon. Trotzdem wir der Autor und fiktive Kapitalgeber so langsam echt nervös. Das Projekt Spirit Oil Company hat bisher gut und gerne 200.000 US-Dollar verschlungen.

Geld frisst Hirn

So und nicht anders ist die Profitkalkulation im Verkaufsprospekt und auf der Webseite ausgelegt. Traumhafte Renditen zu realistischen Bedingungen, unterlegt mit wahren Fakten, viel Folklore und ernsten Statements. Schließlich untermauern Aussagen und Fotos aus kasachischen Regierungskreisen das Projekt. Rohöl ist ein umstrittener Rohstoff und die Umweltbilanz fällt bitter aus. Dennoch giert die Weltwirtschaft nach Rohöl, die Nachfrage bleibt auf hohem Niveau. Auch wenn die westliche Welt sich von CO2-Emmisionen befreien will, so steigt die Nachfrage in den Entwicklungsländern an.

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