Die Social-Media-Szene kocht auch nur mit Wasser

Es war während meiner Ausbildung, als ich mir meine ersten Aktien gekauft habe. Damals war es kaum üblich, dass der durchschnittliche deutsche Sparer sein Geld in Aktien investierte. Ich war sogar ein wenig stolz darauf, dass ich mein im Laufe der Jahre angeeignetes Wissen in die Tat umsetzen konnte. Bis dahin war ich weder volljährig, noch hatte ich genug eigenes Geld, um es zur Seite zu legen.

Mein Ausbilder sah mich damals schräg an und nahm mir im Handumdrehen den Wind aus den Segeln: „Kaum Haare am Sack, aber wild spekulieren wollen wie Kostolany.“ So habe ich es in Erinnerung. Wenn ich heute junge Menschen beobachte, die sich auf sozialen Netzwerken mit Fachwissen in Bezug auf die Börse produzieren, muss ich schmunzeln und das Zitat meines Ausbilders kommt mir in den Sinn.

Über Geld spricht man nicht

Als interessierter Aktionär und Anleger war ich in jeder gesellschaftlichen Runde, in der es um Finanzthemen ging, in der Minderheit. In Deutschland war es lange Zeit üblich, dass man über Geld nicht offen sprach. Entweder man hat es oder man hat es nicht: Und wenn man es hat, lag es auf dem Sparbuch der örtlichen Bank und brachte Zinsen ein.

Deutschland wird zum Lande der Aktionäre

Alles beginnt mit einer magentafarbenen Kampagne der Deutschen Telekom: Der Schauspieler Manfred Krug machte damals im Fernsehen Werbung sowohl für Produkte der Telekom als auch für die T-Aktie selbst. Die Spots wurden legendär und rund 1,9 Millionen Privatanleger kauften damals die Aktien der Telekom in drei Tranchen.

Die erste Tranche der Telekom-Aktie kam unter dem Namen T-Aktie im November 1996 zum Preis von 28,50 DM (umgerechnet 14,57 Euro) an die Börse und brachte der Telekom 10 Milliarden Euro ein. Die zweite Tranche wurden im Juni 1999 zum Preis von 39,50 Euro je Aktie platziert und spülte der Telekom weitere 10,8 Milliarden Euro in die Kasse. Im Juni 2020 verkaufte die KfW Aktien für 66,50 Euro und es flossen 13 Milliarden Euro in die Staatskasse.

Die Börseneuphorie war zuvor auf ihrem Höhepunkt angelangt. Die Telekom-Aktie notierte im März 2000 bei 103 Euro je Aktie. Im Juni 2002 notierte die T-Aktie nur noch knapp über 8 Euro. Auch in den Folgejahren war die Aktie der Telekom kein Quell der Freude und viel zeitweise unter 8 Euro. Seit 2015 notiert die Aktie in einem Korridor zwischen 13 und 18 Euro je Aktie.

Der neue Markt

Der Neue Markt war ein Segment der Frankfurter Wertpapierbörse, das im März 1997 gegründet wurde und sich an Unternehmen mit hohem Wachstumspotential richtete. Im Laufe der Jahre wurden viele junge, innovative und schnell wachsende Unternehmen an diesem Markt gelistet. Der Neue Markt war auch als „MDAX der New Economy“ bekannt und wurde zu einem wichtigen Treffpunkt für Start-ups und Investoren.

Der Neue Markt erlebte im Jahr 2000 einen Boom, als die Nachfrage nach Aktien von Technologieunternehmen stark anstieg. Nachdem jedoch der Dotcom-Bubble platzte und die Aktienkurse vieler Technologieunternehmen einbrachen, begann der Neue Markt zu schwächeln. Der Abschwung setzte sich fort und im Jahr 2002 brach der Neue Markt schließlich zusammen.

Viele Unternehmen, die an diesem Markt gelistet waren, mussten Insolvenz anmelden oder wurden von anderen Unternehmen übernommen. Der Neue Markt wurde 2003 aufgelöst und durch den Entry Standard ersetzt.

Und das war es dann mit 1,9 Millionen neuen Aktionären in Deutschland.

Die Zeiten haben sich deutlich geändert, heute sind Börsenwissen und Kapitalmärkte für die Allgemeinheit frei zugänglich. Die jüngeren Generationen haben erkannt, das Sparbuch ist nun wirklich keine kluge Geldanlage. Nullzinspolitik, sozialen Medien, neue Broker und nicht zuletzt die Coronapandemie hat eine neue Generation Aktionäre erschlossen, die sich aktuell schon wieder eine blutige Nase geholt haben. Wie schon zu Zeiten von Manfred Krug gilt, Vorsicht vor dem, was anderen sagen!

Fluch und Segen der Influencer

Influencer in den sozialen Medien haben in den letzten Jahren an Popularität gewonnen und viele von ihnen sprechen über Aktien und Geldanlage. Während einige Influencer tatsächlich finanzielle Expertise haben und nützliche Informationen teilen können, gibt es auch viele, die ohne ausreichendes Wissen oder ohne Rücksicht auf die Risiken für ihre Follower sprechen.

Ein Problem mit Influencern, die über Aktien und Geldanlage sprechen, ist, dass sie oft eine sehr einseitige Perspektive haben und nur die positiven Aspekte von Investitionen hervorheben. Sie neigen dazu, Risiken und mögliche Verluste zu ignorieren oder abzuschwächen und zu ermutigen, in bestimmte Aktien oder Anlageprodukte zu investieren, ohne ausreichende Informationen oder Beratung zu bieten.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Influencer von Unternehmen oder Finanzdienstleistern bezahlt werden, um über bestimmte Aktien oder Anlageprodukte zu sprechen, was ihre Integrität und Unabhängigkeit in Frage stellen kann. In solchen Fällen könnten die Empfehlungen der Influencer mehr darauf ausgerichtet sein, Geld für die Unternehmen oder Dienstleister zu verdienen, als wirklich nützliche Informationen für die Follower zu bieten.

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