Die Geisterstadt Pripyat

Du möchtest also wirklich Pripjat besuchen?

Genauso gut kannst Du ein Minenfeld im Kosovo durchqueren. Das hat in etwas den gleichen Kick. Radioaktivität kannst Du weder sehen, schmecken noch riechen. Aufspüren lassen sich „Hotspots“ nur mit dem Geigerzähler. In Pripjat gibt es einige heiße Stellen, vor allem unten am gleichnamigen Fluss. Einen eigenen Geigerzähler zu besitzen ist in der Tschernobyl-Zone kein Nachteil. Ein ordentliches Gerät ist allerdings nicht günstig. Zumindest sollte ein erfahrener Scout ein solches Messgerät mitführen, um Dich von gefährlichen Orten fernzuhalten.

In Pripjat hatte ich das Privileg, mich wirklich frei bewegen zu dürfen. Das Ergebnis waren jede Menge Fotos und persönliche Eindrücke, die sich sehr tief in mein Gedächtnis gegraben haben. Selbstverständlich wirst auch Du Fotos knipsen und Videos drehen. Inwieweit Du Dich dabei frei bewegen kannst, hängt einerseits von der Reiseleitung und andererseits von Deiner Risikobereitschaft ab. Es gibt in der Geisterstadt kein Gesetz und keine Verordnung, jede Reisegruppe trägt für sich selbst Verantwortung. Wie eine Exkursion letztendlich verläuft, liegt im Ermessensspielraum der Gruppe. Klar, je geringer die Teilnehmerzahl, umso flexibler die Unternehmung.

Kein Strom, kein Aufzug, kein Rettungswagen

Derzeit konnte ich in die Häuser laufen, die ganzen Stockwerke hoch, um von den Dächern Fotos zu schießen. Mein wohlgemeinter Rat für Dich: Aufpassen, aufpassen und noch einmal aufpassen! Ein simpler Sturz im Treppenhaus oder ein waghalsiges Klettermanöver für das bessere Foto könnte fatale Folgen auslösen. Vor allem dann fatal, wenn Du Dich alleine zu weit von Deiner Gruppe entfernt hast. Pripjat ist eine Geisterstadt, hatte aber mal fast 50.000 Einwohner und ist entsprechen groß. Also immer den Anschluss mit dem verantwortlichen Tschernobyl-Scout halten und wenn schon eine Extratour, dann niemals völlig alleine. Schließe Dich mit ein oder zwei Gleichgesinnten zusammen. Handyfunktion, Rettungswagen oder ähnliche Scherze kannst Du in der Geisterstadt vergessen! Die Tour geht auf eigene Gefahr. Tipp am Rande: ein paar Walkie-Talkies (zu Deutsch Funkgerät) mit frischen Batterien.

Was kann ich Dir noch schreiben? Von Kiew bis zur Sperrzone sind es eine gute Stunde Busfahrt. Mit dem eigenen Auto kommt man – welche Überraschung – nicht in die Sperrzone hinein. Auf dem Gelände des Atomkraftwerks durfte zu meiner Zeit nur der (marode) Sarkophag fotografiert werden. Ansonsten gilt auf dem Werkgelände striktes Fotoverbot. Lass Dich erwischen und Du kannst froh sein, wenn man Dir nur die Kamera abnimmt. Das ist kein Spaß. Ukrainische Sicherheitsleute besitzen einen begrenzten Humor. Das gilt übrigens auch für Fotos am Flughafen oder in der Nähe von Militärstützpunkten. Die Ukraine ist – im Vergleich mit Russland – ein relativ freies Land. Aber nach wie vor gibt es Dinge, die von Behörden nur ungern toleriert werden.

Gastfreundliche Menschen

Die (privaten) Ukrainer an sich sind stets gastfreundlich und fast immer hilfsbereit. Hier und da helfen ein paar Euro „Trinkgeld“ weiter, vor allem dann, wenn Du Dich mit den Behörden oder mit der Polizei verstrickt hat. Das ist aber an sich kein Thema, wenn Du Dir nichts Sonderliches zuschulden kommen lässt. Und überhaupt: Geduld und freundlicher Humor kommen in der Ukraine immer gut an. Aufgrund der Armut gibt es allerdings auch genügend Gaunereien (darüber könnte ich einen eigenen Blog schreiben). Wenn Du also mit Ausrüstung oder Geld protzt, musst Du Dich am Ende nicht wundern, wenn Du ohne Deinen Besitz nach Deutschland abreist. Die örtliche Polizei wird Dir nicht helfen. Die deutsche Botschaft in Kiew ist in solchen Fällen ebenfalls keine besondere Hilfe. Ein hochnäsiger Beamtenapparat, finanziert mit unseren Steuermitteln, der für sich selbst steht.

Pripjat – der geplünderte Ort

Noch einmal zurück zur Tschernobyl-Zone: Die Schrotthalden, bestehend aus alten Hubschraubern und Armeefahrzeugen werden immer weniger. Gerade die Fluggeräte wurden zerlegt und anschließend im Erdreich verbuddelt. Teilweise sind die Fahrzeuge hoch radioaktiv. Ohne Geigerzähler ist die Nähe zu abgewrackter Technik ein äußerst fragwürdiger Spaß. Nur wie zuvor erwähnt, die Halden sind zum großen Teil schon „verschwunden“. Und bevor sich vor Ort die große Enttäuschung breitmacht: Die Stadt Pripjat ist praktisch vollkommen leer. Dort gibt es nichts, wirklich nichts, was sich noch lohnen würde mitzunehmen. Die Stadt wurde wenige Wochen nach der Evakuierung vollkommen ausgeplündert. Und auch später, im Laufe der Jahre, wurden alle Reste mitgenommen, alles was nicht niet- und nagelfest war. Vor allem Metalle wurden eingesammelt und über den Schwarzmarkt verkauft. Das alte Taxi, welches Du in Kiew benutzen wirst, könnte sich dem zu Folge als ein Hotspot der besonderen Art entpuppen.

Ob eine Reise nach Tschernobyl wirklich Sinn ergibt, diese Frage musst Du Dir selbst beantworten. Aber wenn Du Dich schon auf den Weg machst, solltest Du die Reise auch dafür nutzen, um die Ukraine näher kennenzulernen. Das Volk und das Land haben es nicht verdient, lediglich auf Tschernobyl reduziert zu werden. Der Super-GAU ist ein Ereignis der Sowjetunion und die junge Ukraine hat mehr oder minder das Erbe zu tragen.

Du kannst mich über den Blog jederzeit ansprechen.

Legale Tripps nach Pripjat und Tschernobyl

Seit einigen Jahren gibt es legale Trips in die Tschernobyl-Zone und nach Pripjat. Einige Scouts besitzen eine Lizenz, um Touristen dort hinzuführen. Für weitere Informationen empfehle ich Dir die Adresse www.pripyat.com, die Macher der Webseite wurden in Pripjat geboren und mir sind die Leute persönlich bekannt. Sie haben meine Reise nach Tschernobyl ermöglicht.

Nachtrag im Jahr 2018
Auf folgender Webseite könntest Du eine Reise buchen oder anfragen:
www.chernobyl-tour.com

Für die Reise ist eine Sondergenehmigung erforderlich, keine Sorge, darum kümmert sich der Veranstalter. Obligatorisch ist der Reisepass, ohne Reisepass geht nichts.

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